"Ihren Start ins Bürgermeisteramt haben Sie sich aber bestimmt anders vorgestellt?" - das ist eine der meist gestellten Fragen an mich zurzeit. Das stimmt natürlich, unser aller Leben ist momentan alles andere als normal. Der antike Hippokrates, dessen Eid als Ehrenkodex für die Ärzteschaft auch heute noch bekannt ist, an unserem Rathaus ist ein Sinnbild dafür, wie das Thema Gesundheit momentan die Situation vor Ort in Lemgo bestimmt.
Wie ist die Situation heute am 23. Januar in Lemgo? Wir befinden uns immer noch im Lockdown, die Gastwirtschaften, die meisten Geschäfte, viele Dienstleister sind geschlossen. Kunst und Kultur findet kaum statt, wenn, dann virtuell. Die Fußgängerzone ist leer, wir haben nur ein gutes Drittel der Frequenz. In den Schulen und Kindergärten ist vor Ort eine Notbetreuung mit etwa einem Viertel bis einem Drittel Auslastung. Viele gehen ihrer Arbeit nach, ein Teil macht Homeoffice. Das alles gehört dazu, wenn die Kontaktreduzierung das wichtigste Mittel zur Bekämpfung der Pandemie ist. Die Inzidenz in Lemgo ist bei rund 140, die Tendenz ist nach den Ausbrüchen in den Seniorenheimen und Einrichtungen für behinderte Menschen wieder sinkend. Von den aktuell mit Covid-19 infizierten Menschen sind weit mehr als die Hälfte auf die Ausbrüche in den genannten Heimen zurückzuführen, das haben wir in dieser Woche fallgenau ausgewertet.
Das Land Nordrhein-Westfalen hat uns eine neue Coronaschutzverordnung an die Hand gegeben. Die größte Änderung für uns ist die Umstellung auf die medizinischen Masken. Insbesondere bei den leicht erhältlichen und kostengünstigen OP-Masken fragt man sich, warum das nicht schon länger eingeführt wurde, wenn diese denn einen besseren Schutz für unsere Mitmenschen bieten. Aber nun ist die Erkenntnis da, und wir werden uns beim Einkaufen, im ÖPNV oder beim Arzt und teilweise bei der Arbeit schnell daran gewöhnen. Die hochwertigeren FFP2 Masken sind nicht ausdrücklich vorgeschrieben. Richtig getragen, bieten sie einen besseren Schutz für uns selbst. Die Betonung liegt auf richtig getragen, achten Sie bitte auf einen guten Sitz, falls Sie diese verwenden und auch auf die Beschränkungen in der Tragezeit. Dann dürfen wir jetzt wieder Alkohol in der Öffentlichkeit trinken, eher eine skurrile Randnotiz, das hat mit Gerichtsurteilen in Bayern zu tun. Ich persönlich habe da aktuell ehrlich gesagt ohnehin keinen großen Drang dazu. Die Animation, es ist kein Zwang, zum Homeoffice für die Betriebe ist sicher im Sinne der Kontaktreduzierung auch richtig. Ich habe mit einigen Betrieben gesprochen, die sich wünschten, dass die Mitarbeiter*innen das Angebot noch besser annehmen würden. Vermutlich muss sich jeder selbst an die eigene Nase fassen, ob es das Lebens- und Arbeitsumfeld zulässt, gut wäre es.
Neu in der Coronaschutzverordnung ist, dass die Kommunen (da steht nicht: Kreise) eigenen Beschränkungen einführen können, wenn sie nicht die Einschätzung haben, dass sich die Zahlen bis Mitte Februar in Richtung des Inzidenzwertes von 50 bewegen. Wir haben das analysiert und sind zu dem Schluss gekommen, dass eine lokale Ausgangssperre in Lemgo oder eine Beschränkung der Bewegungsfreiheit aktuell nicht zu einer Besserung beitragen können. Vielmehr ist das Infektionsgeschehen in Heimen und Einrichtungen in den Fokus zu nehmen. Hier ist die Heimaufsicht des Kreises Lippe tätig. Wir hoffen, das von dort durch Besuchsregelungen, eine Teststrategie, Kontrollen und Hygieneauflagen zu Masken etc. die Gefahr neuer Ausbrüche weiter vermindert werden kann. In einigen lippischen Kommunen sieht man schon, dass niedrige Inzidenzen möglich sind - wir müssen nur alle weiter konsequent auf uns selbst und unsere Mitmenschen achten. Lassen Sie uns das auch in Lemgo täglich beweisen, denn wenn es stimmt, dass die Mutationen des Virus besonders gefährlich sind, dann kommt es auf eine besonders sorgfältige Umsetzung der Regeln für jeden privat an!
Ganz schön viel Corona wieder, oder? Stand in der Überschrift nicht auch Politik? Auch das kommunalpolitische Geschehen ist stark von der Pandemie beeinträchtigt. Während des Lockdowns sollen möglichst keine Sitzungen stattfinden. Das ist auch in dieser Hinsicht gut, denn Politik muss auch ein Vorbild für uns alle abgeben. Andererseits geht auch das wirtschaftliche Leben in den meisten Bereichen weiter. Und es gibt wichtige und große Planungsprozesse, die weiter laufen. Als Beispiele nenne ich unseren Lückenschluss der Umgehungsstraße zur Entlastung der Innenstadt, die geplante ICE-Trasse durch OWL für den "Deutschlandtakt" als Beitrag zur Verkehrswende und auch der Regionalplan für OWL als maßgebliche stadtentwicklerische Weichenstellung ist im Verfahren - hier sollen die Räte bis 31.03.2021 eine Stellungnahme abgeben. Es geht also um Gewerbegebiete, Wohnsiedlungen, Biotope, Wälder, Infrastruktur für Verkehr, Ver- und Entsorgung, Erneuerbare Energien und viele andere bedeutende Themen. Die Zukunft unserer Stadt.
Im September 2020 war die Wahl. Viele gewählte Ratsmitglieder oder von den Fraktionen geworbene Sachkundige Bürger konnten noch nicht an einer Sitzung teil nehmen. Bürger*innen haben Anträge gestellt, die noch nicht behandelt werden konnten. Ich halt das, wie alle politisch Tätigen, für eine missliche Situation. Mit Online-Informationsangeboten versuchen wir, das zu überbrücken. Eine politische Diskussion ist bei solchen Infos aber nicht möglich und noch nicht einmal im Sinne der Kommunalverfassung erlaubt, da die Öffentlichkeit davon als ausgeschlossen gilt. Demokratie im Lokalen stelle ich mir anders vor. Es hilft aber nichts, zu jammern. Noch weniger helfen gegenseitige Schuldzuschreibungen, wie ich sie diese Tage aus dem politischen Leben einer nicht allzu fern liegenden Großstadt lesen konnte. Wir können nur abwägen, was verantwortbar ist und sollten auch nicht unsere Stadtentwicklung, Projekte, Personalentscheidungen, wichtige Regelungen für Unternehmer oder Eltern usw. einfach stoppen. Daher planen wir zurzeit eine komprimierte Ratssitzung, ggf. in abgespeckter Form, am 22. Februar. Sicher werden manche Themen verschoben werden müssen, aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben! Seien wir zuversichtlich, dass sich mit dem Lichtblick des Impfens auch das politische Leben wieder normalisiert und rege und sachliche Diskussionen bald wieder intensiv im persönlichen Gegenüber möglich sind.
Der alte Hippokrates hätte es vermutlich nicht geahnt, dass er mal als Symbol für einen lähmenden Effekt auf das politische Leben im Kommunalen herhalten muss. Ich kann den alten Griechen aus Kos jedoch trösten: Nehmen wir ihn doch lieber als Sinnbild für die Kraft der Medizin. Was die Forschung in den letzten Monaten in Hinblick auf den Impfstoff geleistet hat, ist definitiv großartig. Verschiedene Impfstoffe stehen bald in großen Mengen zur Verfügung, wer hätte das für den Februar 2021 im Oktober 2020 schon zu sagen gewagt? Sehen wir also mit Zuversicht in die Zukunft und halten noch ein bisschen durch. Können Sie´s noch hören? Es kommt aber von Herzen: "Bleiben Sie gesund!"
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